an exhibition on community and its conditions today
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Un/Mögliche Gemeinschaft
Ausstellung: 7. November 2009 – 31. Januar 2010
Kuratiert von Anke Hoffmann und Yvonne Volkart

KünstlerInnen: Nevin Aladag, Ulf Aminde, Sabina Baumann, Perry Bard, Bureau d'Etudes, Hassan Khan, Korpys/Löffler, Heimo Lattner, Naeem Mohaiemen, p-r-o-x-y, Isabelle Stever, Tellervo Kalleinen/ Oliver Kochta-Kalleinen, Juliane Zelwies

In unserer Zeit der Krise und der Angst vor der Zukunft taucht vermehrt der Wunsch nach Gemeinschaftlichkeit auf. Am unteren Ende angekommen, haben Wörter wie «Solidarität» oder «Gastfreundschaft» eine grössere Verführungskraft bekommen als solche wie «Spekulation» oder «Geiz ist geil». Denn wo blieben wir flexiblen und flexibilisierten Menschen, wenn uns nicht der Raum des Sozialen auch in schlechten Zeiten Schutz böte? Was geschähe mit dem mittlerweile zum Feindbild Nr. 1 mutierten männlichen Jungbroker, wenn es nicht Subjekte mit anderen Lebensentwürfen gäbe, die ihn tragen oder relativieren? Breit durch die politischen Farben hindurch wird das scheinbar «Positive» unserer schlechten Zeit diskutiert: Der Neoliberalismus hat seine Grenzen gezeigt, somit aber auch einen Boden für die Akzeptanz anderer Werte und Vorstellungen des Zusammenlebens geschaffen. Ob diese Hoffnungen zutreffen, bleibt abzuwarten. Angesichts der Popularität politischer Strömungen, die verstärkt auf Eigentum und Eigenleistung setzen, ist eher Skepsis angesagt.

Ausgangspunkt für die Ausstellung «Un/Mögliche Gemeinschaft» ist die Annahme, dass die Frage nach der Gemeinschaft nicht nur krisenbedingt sein kann. Gemeinschaften – wenn wir darunter nicht die eine Bruderschaft verstehen, der wir uns auf immer und ewig ausliefern – sind etwas Alltägliches, Lebensbestimmendes und Notwendiges. Das sind die (Patchwork-) Familie oder Greenpeace, Online-Communities oder der Shedhalle-Verein. Auch wenn wir ohne Not über die Gemeinschaft nachdenken wollen, so wird im Wissen darum, dass wir nur eine Welt haben, die Frage ungleich dringlicher: Die globalisierte Marktwirtschaft mit ihren Ungleichheiten hat zu völlig neuen Abhängigkeiten geführt, während alte Machtverhältnisse ungebrochen fortbestehen. Die klimatologische Veränderungen werden diese Ungleichheiten noch verstärken; die demographischen Szenarios der Überalterung in den westlichen Ländern projizieren Probleme, die nicht mehr nur national lösbar sind; und nicht zuletzt sind die Menschen durch das Internet zusammengerückt und sensibler für die Dringlichkeit zur Lösung globaler Konflikte geworden.

Ob im Kleinen oder Grossen, letztendlich geht es darum, sich den Herausforderungen zu stellen und Wege des Aufeinander-Zugehens zu erfinden. Nicht, um eine Gemeinschaft der Gleichen zu propagieren, sondern eine «unheilige Allianz» (Haraway), einen «zusammengewürfelten Haufen», der sich finden muss, der seine Unterschiede respektiert und wohlbekannte Grenzen und Feindbilder zumindest partiell auflöst. Unser Lieblingsbild für eine un/mögliche Gemeinschaft sind die Bremer Stadtmusikanten: Ausgebootet und abgehauen, um dem drohenden Tod zu entfliehen, geben sich Esel, Hund, Katze und Hahn gegenseitig eine neue Lebensperspektive.

Das Ausstellungsprojekt in der Shedhalle kreist in einer lockeren Auslegeordnung und durch verschiedene Medien hindurch um damit verknüpfte Momente: unsichtbare Netzwerke, utopische Gemeinschaften, Abschottung, Migration, Konflikte, Einschluss des Anderen, Teilen und Teilhabe. Die Ausstellung schliesst den Bogen vom Globalen zur Psychodynamik in der Kleinstgemeinschaft und zeigt Strukturen und Rituale der Gemeinschaftsbildung. Getragen vom Wunsch, die Dinge und Zusammenhänge anders zu denken, werden auch Projekte eingeführt, die alternative Formierungen vorstellen.

Wenn wir also von einer «unmöglichen Gemeinschaft» sprechen, meinen wir das im doppelten Sinn des Wortes: Unmöglich, weil Gemeinschaften in dem Masse, in dem sie einschliessen und Differenzen zulassen, lediglich partiell und temporär sein können. Und unmöglich im Sinne von Denkmuster überschreiten, Werte neu setzen und Vorstellungen durchqueren: empörend sein. Un/Möglich heisst, die Spaltung im Inneren der Gruppe und von sich selbst fruchtbar zu machen. Gemeinschaft muss hergestellt werden, sie ist permanentes Handeln: Wünsche platzieren, streiten, zuhören. Gerade dieses Verhandeln, dieser Grad an Unbestimmtheit und Unkontrollierbarkeit macht Gemeinschaften auch zu etwas Lustvollem: Gemeinschaftlich sein heisst somit auch, ein Stück von sich selbst abzugeben, loszulassen, aufzulösen.

Das gesamte Projekt «Un/Mögliche Gemeinschaft» ist eine Kooperation mit dem ith/ZHdK und gleichermassen aufgeteilt in einen Ausstellungs- und einen Veranstaltungsteil.

Das Display bringt das scheinbar Disparate und Prekäre zusammen und schafft mit seiner leeren Mitte Raum für temporäre Versammlungen und Ereignisse.