Nacht Stadt Zürich
Von Nachtschichten und Nachtschwärmereien

22. Oktober 2014 bis 7. März 2015
Stadthaus Zürich, Mo - Fr 9 - 18 Uhr, Sa 9 - 12 Uhr

Die Ausstellung «Nacht Stadt» behandelt die Realitäten der "24-Stunden-Gesellschaft" und das nächtliche Leben in Zürich. Die Ausstellung stellt verschiedene Personen vor, die nachts für uns arbeiten; lässt nachempfinden, was es bedeutet, wenn sich die Wahrnehmung nachts ändert; stellt filmische Beobachtungen des urbanen nächtlichen Raums in verschiedenen Quartieren vor; bietet ein Quiz an, mit dem man sich und sein nächtliches Verhalten mit dem von Fuchs oder Fledermaus vergleichen kann und bietet eine Sammlung historischen und aktuellen Wissens über das Nachtleben, ihre Protagonistinnen und Protagonisten und viele Begriffs- und Faktenklärungen an. Eine ausführliche Einführung weiter unten.

mit Beteiligung von Andres Bosshard, Piet Esch, Tom Licht, Joris Stemmle, Christoph Stähli, Büro 146 und vielen anderen
Konzept und Realisation: Anke Hoffmann
Ausstellungsgestaltung: Christine Moser, Bruggiser Moser

Eine Ausstellung von Stadt Zürich Kultur
Gesamtleitung Stadt Zürich Kultur
Claire Schnyder, stv. Direktorin
Daniela Lienhard, Koordination

mehr Informationen

eMagazine zur Ausstellung (Android)
sowie im AppleAppStore

Presseberichte
Radio SRF-Regionaljournal
Neue Zürcher Zeitung
Tagesanzeiger

Zur Ausstellung:

„Aber wer die Stadt bei Nacht kennt, der kennt sie wirklich“, heisst es. Wenn es dunkel wird, der Tag zur Neige geht, die Schritte langsamer werden, die Gesichtszüge entspannter, wir wahlweise Zerstreuung suchen oder Sinnsuche betreiben, kehrt sich das Terrain des Funktionalen in einen Möglichkeitsraum. Ein Möglichkeitsraum als Gegenpart zum Tagesgeschäft, der die Sinne für Neues öffnen kann, neue Ideen, Begegnungen oder Allianzen. Nachts wird diskutiert und geprahlt, gelacht und erprobt, gepriesen und verführt. Und nie sind wir so nah daran wie in der Nacht, uns in Wunschbildern und Weltfluchten zu verlieren. Jede und jeder von uns verbindet etwas anderes mit der Zeit der Nacht; manche sehnen sich nach der Ruhe, andere freuen sich auf den Ausgang und wieder andere fangen erst in der Nacht an, wirklich sie selbst zu sein. Raum und Atmosphäre für all diese unterschiedlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte bietet die Stadt mit ihrem Angebot an nächtlicher Kultur, Kommunikation und Unterhaltung.

Die Ausstellung „Nacht Stadt“ behandelt das nächtliche Leben in der Stadt Zürich. Die Nacht gab es schon immer, aber das Leben in der Nacht, das Arbeiten und das Vergnügen, begann sich erst dann richtig zu entfalten, als Zürich mehr und mehr zur Stadt wurde: ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Industrialisierung, urbane Entwicklungen und Emanzipationsprozesse gesellschaftlicher Bevölkerungsschichten beförderten die Ausbildung des Nachtlebens bis in unsere Gegenwart hinein. Heute sprechen wir oft von der «24-Stunden-Gesellschaft» und beschreiben damit eine Verknüpfung von allseits verfügbarer Medientechnologie, von Konsum und Freizeitkultur mit den Anforderungen des Arbeitslebens. Der Schlaf, unproduktive Zeit und konsumfreie Momente scheinen sich immer schwieriger vor dem Schein des Neonlichts verbergen zu können.

Auf der anderen Seite hat sich das Nachtleben in Zürich zwischen Kulturveranstaltungen, Stadtfesten, Clubszene und Gastronomie heute als grosser Anziehungspunkt für ein Publikum aus der Schweiz und dem nahen Ausland etabliert. An Wochenenden gehen bis zu 100 000 Menschen in Zürich aus. Dieses breitgefächerte Angebot, wo kommerzielle und subkulturelle Akteurinnen und Akteure um ein Publikum werben, ist zu einem wichtigen Wirtschafts- und Tourismusfaktor geworden. Die Ausstellung „Nacht Stadt“ untersucht als eine Momentaufnahme des heutigen Zürichs verschiedene Aspekte vom Leben in der nächtlichen Stadt. Und weil die Facetten und Bilder der Nacht so vielgestaltig un individuelle sind, versucht die Ausstellung ein Porträt der nächtlichen Stadt in atmosphärischen, informativen und unterhaltsamen Formaten zu vermitteln.

Auch wenn die Nacht scheinbar ausserhalb unseres funktionalen Arbeitsalltags stattfindet, ist sie doch aufs Engste mit dem Tagesalltag verbunden. Stabilität und Rhythmus des täglichen Lebens basieren auch auf einer durchorganisierten Nacht. Die Funktionalität am Tag sowie die Basis der Unterhaltung in der Nacht garantieren diejenigen, die nachts arbeiten, während ein Grossteil von uns sich erholt oder vergnügt. Wir stellen in der Ausstellung acht Personen aus unterschiedlichen Berufen vor, die uns einen Einblick in ihr Leben rund um eine Nachtschicht gewähren. So wird der Nacht in Zürich durch reale Personen und ihre Berufungen ein Gesicht verleihen.

Zürich ist eine Stadt mit unterschiedlichen Tempi, Charakteren und Atmosphären, die sich in den verschiedenen Stadtquartieren widerspiegeln. So auch in der Nacht. Der Videokünstler Piet Esch hat dies in vier filmischen Beobachtungen für uns einfangen. Vier Filme, die jeweils eine Sommernacht in den Quartieren um die Langstrassen, in Altstetten, auf dem Zürichberg und um den Bellevue-Platz herum versuchen zu zeigen: Was passiert in der Nacht? Wo wird gefeiert, wo gearbeitet? Wo wird der urbane Raum von wem wie genutzt? Wann hört wo der Tag auf und wie lang ist die Nacht dort?

Nachts verändern sich Wahrnehmung und Orientierung, das Sehen wird ungenauer, der Hörsinn wird feiner, Vertrautes verwandelt sich und erscheint ungewohnt. Dieser sinnlichen Veränderung nachempfunden laden zwei Audiostationen zu einer akustischen Stadterkundung ein.
Für das Audioportrait „Soundcycle“ hat sich der Soundkünstler Joris Stemmle auf seinem Fahrrad durch die nächtlichen Ausgehquartiere begeben und so ein Hörstück für die Ausstellung entwickelt.
Wie hört sich Zürich in der Nacht an? Im SRF-Radio-Feature „Nachtspaziergang“ entführt uns der Klangkünstler und Musiker Andres Bosshard auf einen akustischen Spaziergang durch das Zürcher Niederdorf und erzählt uns, wie man die Stadt nachts mit den Ohren lesen kann.

Für eine informative Einbettung des heutigen Nachtlebens in die Geschichte der Stadt Zürich, mit ihren aktuellen kulturellen Akteuren und Akteurinnen, sowie in einem europäisch-urbanen Kontext und die daraus entstehenden Fragestellungen und Herausforderungen an eine urbane Gemeinschaft und ihre konkreten Aushandlungsprozesse möchte die Ausstellungszeitung „Eine kleine Enzyklopädie des Nachtlebens“ neue und vergessene Zusammenhänge anbieten. Wer also schon immer wissen wollte, seit wann überhaupt ein Nachtleben in Zürich existiert, was eine Winkelwirtschaft ist oder warum es so viele Nachtcafes im Kreis 4 gibt, dem bietet die kleine Enzyklopädie einige Antworten und Anregungen. Von A wie Afterhour bis Z wie Zwischennutzung ist in der Zusammenarbeit von verschiedenen Autorinnen und Autoren eine Sammlung wissenswerter Fakten und Anekdoten entstanden.

Nicht nur der Mensch aber macht die Nacht zum Tag, auch unsere urbanen Wildtiere lieben geradezu die Dunkelheit zur Futter- und Partnersuche. Um diesem mehrheitlich unsichtbaren Miteinander etwas auf die Spur zu kommen, gibt es zum einen ein interaktiven Fragequiz, in dem jede und jeder das eigene Ausgehverhalten mit dem unserer flauschigen und flatternden Nachtbegleiter vergleichen kann. Das Zürcher Büro für Wildtierarchitektur zwei Stadtführungen an, um sich eben auf jenen Spuren und Wegen unserer nachtaktiven Nachbarn annähern zu können. Das ist nur ein Teil des umfangreiche Programms aus Führungen, Präsentationen und Veranstaltungen, die die Ausstellung um Begegnungen und Erlebnisse erweitert. Denn wie könnte die Nacht in der Stadt erfahrbar werden, wenn wir uns nicht selbst hinein begeben.

Anke Hoffmann